„Nahrungskonkurrenz zwischen Walen und Fischerei reine Erfindung“
Die Meeresbiologin Kristin Kaschner vom Institut für Biologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg http://www.biologie.uni-freiburg.de hat in einer Studie die Hypothese widerlegt, dass Großwale in tropischen Gewässern der Fischerei die Fische wegfressen. In den vergangenen Jahren haben Japan und andere Walfangnationen vermehrt behauptet, dass Wale in Hinblick auf Nahrungsressourcen in direkter Konkurrenz zur Fischerei stünden und Schuld am Rückgang und teilweisem Zusammenbruch von Fischbeständen. Walfangbefürworter verwenden dieses Argument häufig und fordern daher eine Dezimierung der Meeressäuger.
„Gerade in den tropischen Gewässern – gemeint sind Regionen um Nordafrika und der Karibik – kann man mit Sicherheit ausschließen, dass Wale den Menschen die Fische wegfressen“, meint Kaschner im pressetext-Interview. „Wir haben in Zusammenarbeit mit amerikanischen und kanadischen Wissenschaftlern auf der Basis vorhandener Daten Ökosystemmodelle der Meeresgebiete entwickelt.“ Dabei habe man simuliert, was passieren würde, wenn man die Walbestände in diesen Ökosystemen verringern würde. „Das Ergebnis ist ziemlich eindeutig“, meint die Meeresbiologin. „Selbst unter Berücksichtigung der unsicheren Datenlage würde eine komplette Ausrottung aller Großwale in den Forschungsgebieten nur zu einem sehr geringfügigen Anstieg der kommerziell genutzten Fischbestände führen. Was allerdings ziemlich offensichtlich wurde, war die Tatsache, dass schon kleine Veränderungen im Fischereimanagement eine deutliche Vergrößerung der Fischbestände zur Folge haben.“
Das Studienergebnis sei keine besonders große Überraschung gewesen, meint Kaschner. „In den subtropischen und tropischen Regionen bringen Wale ihren Nachwuchs zur Welt und fressen dort nur etwa zehn Prozent der gesamten Nahrung, die sie während eines Jahres zu sich nehmen.“ Im Prinzip soll die Studie deutlich machen, dass das Argument Japans zum Walfang, nämlich der Konkurrenzkampf mit dem Menschen um Fisch in diesen Regionen keine Relevanz habe. „Die Walfangbefürworter in der Karibik und auch in Nordafrika haben nämlich dieses aberwitzige Argument für den kommerziellen Walfang immer wieder vor der Internationalen Walfang-Kommission vorgebracht.“ Die Forschher schlussfolgern aus ihrer Arbeit, dass Walfang keinesfalls eine Lösung für die massiven Fischereiprobleme von Entwicklungsländern ist.
„Diese Probleme sollten im größeren Kontext einer globalen Fischereikrise gesehen werden, bei der Faktoren wie lokales Missmanagement, Ausbeutung von tropischen marinen Ressourcen durch Industrienationen sowie auch die Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigt werden müssten“, erklärt die Meeresbiologin. „Selbst in den polaren Gewässern, wo Wale einen Großteil der Nahrung zu sich nehmen, tragen Wale nicht wesentlich zur Dezimierung der Fischbestände bei, wie eine neue Studie von Peter Corkeron, veröffentlicht im Fachjournal Biology Letters, zeigen konnt „, so Kaschner abschließend gegenüber pressetext. (Ende)