In der neuesten Ausgabe des DAN Alert Diver findet sich ein spannender Artikel mit dem Thema: „Dekompression: Wahrheit oder Mythos? „
„Viele Taucher glauben, dass die Dekompressionstheorie eine exakte Wissenschaft ist. Dieser Ansicht sind sie vermutlich, weil bei ihr Algorhythmen, Kompartimente und Halbwertzeiten, d.h. also Mathematik eine Rolle spielen. Selbst die aktuellsten Dekompressionsmodelle, die das im Körper vorhandene Gas in seiner freien Form berücksichtigen (VPM, RGBM, etc.), verwenden zur fortgeschrittenen mathematischen Beschreibung des Blasenverhaltens im Taucher physikalische Gesetze wie das Laplace-Gesetz. Und aus diesem Grund glauben Taucher, dass die Dekompressionstheorie eine exakte Wissenschaft ist!
In Anbetracht der Tatsache, dass Mathematik tatsächlich eine exakte Wissenschaft ist (vermutlich die exakteste überhaupt), entgeht ihnen jedoch, dass die Dekompressionstheorie nichts anderes ist als eine vereinfachte mathematische Simulation eines komplexen biologischen Phänomens. Vor diesem Hintergrund kann das mathematische Modell sichere und exakte Ergebnisse liefern. Die Wirklichkeit, die diesen Modellen entspricht, hat aber bislang noch niemand mit eigenen Augen gesehen. Zur Vereinfachung des Konzeptes könnte man also sagen, dass die Biologie, die hinter Dekompression steckt… keine mathematischen Modelle kennt und macht, was sie will!
Aus diesem Grund beobachten wir, wie mathematische Modelle kontinuierlich überarbeitet, auf den neuesten Stand gebracht und ersetzt werden. Immer mit dem Ziel, das echte biologische Phänomen so getreu wie möglich darzustellen. Jeder gewissenhafte Taucher ist daher in der Pflicht immer auf dem Laufenden zu bleiben und mit den Veränderungen, die von Forschern vorgetragen und wissenschaftlich belegt werden, Schritt zu halten. Sonst riskiert man als Taucher/Taucherin das Leben!
Machen wir uns doch das zu Nutze, was bei der letzten jährlichen Konferenz der EUBS (European Underwater and Baromedical Society) präsentiert wurde und was Dr. Pasquale Longobardi (Medizinischer Direktor des Überdruckzentrums in Ravenna, Italien) dankenswerterweise für uns so umformuliert hat, dass die Leser ihr Wissen nun mit einem zweiteiligen „Richtig-oder-Falsch“-Quiz auf den neuesten Stand bringen können. Hier ist Teil 1.
Mit den traditionellen 5, 10, 20, etc… Minuten hat sich die Halbwertszeitserie bei den traditionellen Dekompressionsmodellen mittlerweile fest etabliert.
FALSCH! Wie J. Kot berichtet, zeigt die Meta-Analyse von Dekompressionsmodellen, dass es etwa alle dreißig Jahre eine entscheidende Veränderung bei den Halbwertszeiten gibt, ohne dass sich dadurch jedoch die Wahrscheinlichkeit eines Dekompressionsunfalls erheblich verändern würde. Außerdem wurde festgestellt, dass die maximale Halbwertszeit für einen Taucher, auch bei Sättigungstauchgängen, zwischen 360 und 420 Minuten liegen kann.
Die Sicherheitskurve (die Grundzeitgrenzen, die – bei unterschiedlichen Tiefen – zeigen, wenn keine Dekompressionsstopps notwendig sind), die von diversen Tauchcomputern angezeigt wird, ist im Grunde bei vielen Geräten identisch.
RICHTIG! Mehr noch als ein Beweis für die Genauigkeit der Dekompressionstheorie, ist das jedoch eine Folge davon, dass diese Modelle an eine „Sicherheitskurve“ angepasst sind, die mit Hilfe von Experimenten ermittelt wurde und die erwiesenermaßen sehr gut funktioniert.
Selbst bei den aktuellsten Dekompressionsmodellen, die das im Körper in freier Form vorhandene Gas berücksichtigen (VPM, RGBM, etc.), wurden Zufälligkeitsmechanismen (kritischer Volumenalgorithmus, kritischer Radius) integriert, damit sich das Modell den experimentellen Ergebnissen anpassen kann.
Die Dekompression, die Sporttauchern bei Routinetauchgängen von ihren diversen Tauchcomputern angezeigt wird, unterscheidet sich von Gerät zu Gerät kaum.
FAST RICHTIG! In Europa sind derzeit rund 50 Computermodelle im Handel erhältlich, aber keiner der Hersteller gibt klar und deutlich an, wie der Computer Dekompression berechnet. Außerdem werden die diversen Dekompressionsmodelle von den europäischen Richtlinien zur Zertifizierung von Tauchcomputern nicht berücksichtigt. M. Sayer testete 43 Tauchcomputer für Tauchgänge von 15 und 30 Metern mit einer Gesamtdekompressionszeit zwischen 0 und 30 Minuten. Bei 94,9% der Tests lag der Unterschied der Dekompressionszeit bei ±10%. In einigen Fällen (bei 1%) lag der Unterschied im Vergleich zu der von anderen Computern durchschnittlich errechneten Zeit bei über 25%. So betrug beispielsweise der maximale Unterschied der Sicherheitskurvengrenzen bei dem 15-Meter-Tauchgang beim konservativsten und dem am wenigsten konservativen Computer ganze 24,3 Minuten. Hier die konservativsten Computer (vom konservativstem bis zum dem am wenigsten konservativen): Mares Icon HD, Mares mit RGBM-Algorithmus, Uwatec mit Bühlmann-Algorithmus; Suunto mit RGBM-Algorithmus. Der am wenigsten konservative (und großzügigste) ist der Oceanic mit Bühlmann/DSAT-Algorithmus.
Für einen Sporttaucher ist bei Tauchgängen mit notwendigen kurzen Deko-Stopps ein Tauchcomputer ausreichend.
FALSCH! Während der, bei der vorherigen Frage bereits erwähnten Tests von Sayer wurden in 1.031 Arbeitsstunden 28 mal die Batterien gewechselt und die Displays von 19 Computern froren (vor allem aufgrund der Batterien) ein. Die Ergebnisse zeigen also eindeutig, dass es bei echten Tauchgängen für jeden Taucher zur Kontrolle der notwendigen Deko-Stopps sehr viel besser ist, zwei Computer zur Verfügung zu haben (zur Abhilfe bei Batteriefehlfunktionen). Darüberhinaus könnte ein Computer dann einfrieren bzw. die Batterien könnten genau dann leer sein, wenn sich nur ein Computer innerhalb der Grenzen der Sicherheitskurve befindet. Daher ist es wichtig, dass bei der Tauchausbildung die richtige Verhaltensweise im Falle einer Computerfehlfunktion behandelt wird.“