Leichtbau: Von marinen Kleinstlebewesen lernen

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Netzwerk PlanktonTech erforscht technischen Nutzen von Meeresorganismen

Marine Kleinstlebewesen vollbringen ein interessantes Kunststück: Sie besitzen harte Skelette, die sie vor den Attacken ihrer Fressfeine schützen, und sind gleichzeitig leicht genug, damit sie nicht in tiefe, lichtarme Meeresregionen abdriften. Um diese besonderen Strukturprinzipien genauer zu untersuchen und für die Industrie nutzbar zu machen, hat das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) http://www.awi.de das internationale Netzwerk PlanktonTech ins Leben gerufen. Mit Hilfe neuester Methoden in Mikroskopie und Computertechnik wollen die internationalen Projektmitglieder sowohl die Entstehung und Funktion dieser Strukturen erforschen als auch ihren Nutzen für Ressourcen sparende Leichtbauprodukte. „Die Umsetzung in technische Anwendung sind dabei in den verschiedensten Bereichen denkbar“, erklärt Biologie Christan Hamm gegenüber pressetext. „Denn Leichtbaustrukturen sind beispielsweise in der Baustatik, in der Fahrzeug- und Medizintechnik als auch im Maschinenbau gefragt.“

Im Fokus der Forschungen von PlanktonTech stehen die auffälligen Schalen von Kieselalgen und Radiolarien, die sich durch hohe Festigkeit bei geringem Materialeinsatz auszeichnen. „Deren Strukturprinzipien wollen wir uns abschauen. Der Baukasten, den uns die Natur dabei bietet, ist fast unerschöpflich, denn es gibt zehntausende Kieselalgenarten“, berichtet Geochemiker Eberhard Sauter. So lasse sich für verschiedenste Problemstellungen eine geeignete Bauweise finden. Zunächst jedoch müssen die Schalen der Algen analysiert und ihre Strukturparameter erfasst werden. Die Übertragung in eine 3D-Datenbank ermögliche dann die Untersuchung der biomechanischen Eigenschaften. „Wir schlagen damit in der Evolutionsforschung als auch in der Bionik und Materialforschung völlig neue Kapitel auf“, fügt Hamm an. Denn die Daten sollen auch für den industriellen Bereich genutzt werden. Ein Schwerpunkt liegt dabei in der Kombination von Leichtbaustrukturen mit Verbundstoffen.

Erste Projekte und Kontakte mit Unternehmen sind bereits eingerichtet. „Das Leichtbauinstitut Jena, einer unserer Partner, entwickelt Hallen und Brücken, die von bionischen Prinzipien abgeleitet sind. Wir arbeiten derzeit an Kopfstützen, Felgen und Dämmmaterial für die Automobilindustrie, die leicht und vibrationsdämmend sind“, berichtet Sauter. Weitere Einsatzgebiete für die den Algen nachempfundenen Strukturen finden sich auch in der Medizin, wo die Entwicklung von leichteren und durchlässigeren Gipsverbänden möglich sei. Auch Off-Shore-Windkraftanlagen könnten sich durch den Einsatz von naturnahen Leichtbauelementen kostensparender fertigen lassen. „Bei einem Windpark mit 50 bis 100 Anlagen, würde sich eine Kostenersparnis durch weniger Stahlverbrauch schon deutlich bemerkbar machen“, meint Sauter.